KL_2022-06

Klecks | Juni 2022 Kolumne 47 Glück ist eine Seifenblase In diesen Zeiten, in denen so viel Unglück herrscht, mag es manchen Menschen schwerfallen, Glück zu finden oder ein- fach glücklich zu sein. Dabei braucht jeder Mensch Glück – gerade in diesen Zeiten. Was, so frage ich mich, braucht eigentlich das Goldstück, um glücklich zu sein? Am glücklichsten sind die Menschen immer dann, wenn sie haben, was sie brauchen. Kleine Kinder brauchen weniger zum Glücklichsein als Erwachsene. Am wichtigsten sind da wohl die Mama und der Papa oder beide zusammen. Die wissen, wann das Goldstück glücklich, aber auch, wenn es traurig ist. Dann braucht es Trost, eine Umarmung, einen Kuss oder eine Banane. Genau, eine Banane. Müssen Sie mal ausprobieren. Als das Goldstück noch kleiner war, hat es eine Banane bekom- men, wenn es geweint hat. Schon bald waren die Tränen getrock- net. Keine Ahnung wieso, hat aber fast immer geklappt. In dem Stück Obst sind vielleicht Glückshormone verborgen. Hat gewirkt wie ein Zäpfchen. Am glücklichsten sind Kinder meistens dann, wenn sie spielen können und dabei die Zeit ver- gessen. Sie können sich allein in ein Spiel vertiefen, aber viel mehr Spaß macht es, wenn der Papa oder die Mama mitspielt. Das Goldstück ist immer ganz verses- sen auf Seifenblasen. Die kaputt zu hauen, macht so viel Spaß. Immer und immer wieder. Jedes Mal, wenn eine Blase zerstört wurde, lacht es aus vollem Herzen. Es wird nicht müde, es immer wieder zu tun, als ob es die vorherigen Seifenblasen vergessen hat und das Spiel wieder und wieder von vorn beginnt. Vielleicht liegt das Glück auch im Vergessen. Freunde machen glücklich. Sie sind Spielkameraden, Zuhö- rer, Ratgeber, bringen neue Ideen ein und bieten Kindern die Möglichkeit, Streit auf Augenhöhe auszutragen und unterein- ander zu regeln. Kein Erwachsener kann einem Kind das bie- ten, was es durch den Umgang mit anderen Kindern erfährt. Fragen Sie mal Ihr Kind, was ihm wichtig ist und glücklich macht. Ich wette, Freunde landen auf einem der vorderen Plätze. Toben macht glücklich. Über den Spielplatz oder einen Rasen zu laufen und das Goldstück zu jagen, macht es glück- lich. Dabei schreit es vor Glück. Eine Rutsche immer und immer wieder runterrutschen, bis der Hosenboden brennt – das macht glücklich. Sand schmeckt zwar nicht. Aber ihn zu essen (oder anderen zu essen zu geben) macht anscheinend auch glücklich. Warum tun Kinder es sonst? Sich mit dem Papa auf dem Karussell drehen, bis allen schwindlig ist und man danach beim Gehen umfällt, macht auch glücklich. Und es kostet kein Geld. Aber halt, das soll hier keine Kolumne sein nach demMotto: Schaut, die Kinder, sie sind auch ohne Geld glücklich. Das Thema Glück ist nur momentan etwas unterpräsentiert. Das muss sich ändern. Deswegen steht hier in fast jedem Satz das Wort Glück. Glück ist ein innerer Zustand, sagte irgendjemand mal, der hoffentlich wusste, wovon er sprach. Kinder sind Experten in Sachen Glück. Sie leben intensi- ver, schauen nicht „Anne Will“ und sind anschließend ratlos oder unglücklich. Sie gucken lie- ber die Maus. Auch das Goldstück glänzt natürlich nicht jeden Tag. An manchen Tagen ist es mopsig und hat Lust zu gar nichts. Dann helfen keine Bananen, keine Pfannkuchen und keine Rut- schen. Dann muss man mal akzeptieren, dass es einen Tag den Blues schiebt. Und das ist ok. Schließlich weiß man die glück- lichen Tage (und die Seifenblasen) dadurch mehr zu schätzen, oder nicht? Und weil ich will, dass es meinemGoldstück gut geht und es glücklich ist, gebe ich ihm Bananen, wenn es traurig ist, puste Seifenblasen, renne hinter ihm her oder esse Sand. Manchmal ist es ein harter Job, das Goldstück glücklich zu machen. Aber es lohnt sich. Es ist schön, wenn das Goldstück glücklich ist. Es macht mich auch glücklich. Und das Goldstück weiß es nicht mal. Ted Tamarillo www .klecks-os.de w w.klecks-os.de

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